Der Wasserstand des Rheins lag im Frühling 2025 deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. „Solche Bedingungen sind ein Vorgeschmack auf das, was wir in Frühling und Sommer zukünftig häufiger für den Rhein erwarten dürfen.“, sagt IKSR-Präsidentin Dr. Miriam Haritz.
Niedrigwasser geht oft mit hohen Wassertemperaturen einher. Die heute veröffentlichte Studie zeigt anhand von Modellergebnissen einen klaren Trend: Der Rhein erwärmt sich im Zuge des Klimawandels deutlich.
Rückblick: 45 Jahre Temperaturanstieg belegt
Die Auswertung der historischen Messreihen für den Zeitraum 1978-2023 hat bereits einen klaren Erwärmungstrend gezeigt: So hat sich der Rhein seit 1978, insbesondere im Raum südlich von Karlsruhe, deutlich erwärmt. Die durchschnittliche jährliche Wassertemperatur stieg beispielsweise in Basel im Untersuchungszeitraum um 0,4 °C pro Jahrzehnt. Obwohl anthropogene Wärmeeinleitungen – etwa durch abgeschaltete Kernkraftwerke – zurückgegangen sind, konnten sie den Anstieg der Wassertemperaturen nicht aufhalten, der in direktem Zusammenhang mit dem Anstieg der Lufttemperaturen aufgrund des Klimawandels steht.
Blick in die Zukunft: Modellierungen bis zum Jahr 2100
Die neuen Simulationen der Wassertemperaturentwicklung, die im Rahmen dieser Studie durchgeführt wurden, basieren auf dem CO2-Hochemissionsszenario des Weltklimarats (IPCC). Die Fachleute von BfG und Deltares und der Anrainerstaaten haben Modellrechnungen durchgeführt, um den zu erwartenden Anstieg der Rheintemperaturen zu quantifizieren. Sie erwarten eine Erwärmung des Rheinwassers in der Größenordnung von +1,1 bis +1,8 °C bis zur Jahrhundertmitte. Bis zum Jahr 2100 könnte sich die jährliche mittlere Wassertemperatur sogar um 2,9 bis 4,2 °C erwärmen – im Vergleich zum Zeitraum 1990-2010, der als Referenz für alle Berechnungen herangezogen wurde. Die Studienergebnisse zeigen, dass vor allem die südlichen Rheinabschnitte von der Schweiz bis Karlsruhe betroffen sein werden.
Konkret bedeutet dies, dass im Jahresdurchschnitt im Rheinhauptstrom die Anzahl der Tage mit Temperaturen unter 10 °C bis zum Ende des Jahrhunderts von derzeit 170 Tagen auf 104 Tage sinken wird. Umgekehrt wird die Zahl der Tage mit Temperaturen über 21,5 °C deutlich steigen, von derzeit durchschnittlich 32 Tagen auf 106 Tage im Jahr (dies entspricht fast einem Drittel des Jahres). An diesen 106 Tagen im Jahr mit Temperaturen über 21,5 °C werden fast 50 Tage im Jahr Temperaturen über 25 °C und bis zu 28 °C erreichen. Die modellierten Wassertemperaturen könnten zudem aufgrund von Faktoren, die in der Studie nicht berücksichtigt wurden, insbesondere durch schwer vorhersagbare anthropogene Wärmeeinleitungen, überschritten werden.
Arten und Auen unter Druck
Der Klimawandel führt zu einem Anstieg der durchschnittlichen Lufttemperaturen, was einen tendenziellen Druck auf alle natürlichen Lebensräume bewirkt. Aquatische Lebensräume und Feuchtgebiete sind aufgrund der zunehmenden Häufigkeit und Schwere von Niedrigwasser und steigenden Wassertemperaturen, die die Auswirkungen der anthropogenen Belastungen durch die verschiedenen Nutzungen des Flusses und seiner Lebensräume verstärken, besonders stark vom Klimawandel betroffen.
„Die steigenden Wassertemperaturen beeinflussen die Lebensbedingungen im Rhein erheblich. Werden kritische Temperaturschwellen über längere Zeiträume überschritten, kann es zu ökologischen Schäden kommen. Aquatische Organismen leiden dann bspw. unter Hitzestress, was sie schwächt und anfälliger für Krankheiten macht“, sagt Tanja Bergfeld-Wiedemann, BfG-Wissenschaftlerin, die an der Studie mitgearbeitet hat. „Bei höheren Temperaturen nimmt außerdem die Löslichkeit von Gasen im Wasser ab, wodurch den Tieren weniger Sauerstoff zur Verfügung steht“, so die Biologin.
Die Erwärmung des Wassers im Winter ist auch ein günstiger Nährboden für die Verbreitung bestimmter invasiver gebietsfremder Arten. Langfristig könnten Arten wie die Äsche, die kaltes Wasser bevorzugt, Bestandseinbrüche erleiden bzw. aus Teilen ihres bisherigen Verbreitungsgebietes im Rheinsystem verschwinden. Temperaturunempfindliche Raubfische wie der Wels werden gestärkt und üben einen zusätzlichen Druck auf aquatische Arten aus, obwohl einige von ihnen bei Temperaturen um die 25 °C sterben.
Der Anstieg der Wassertemperatur kann in kleinen Nebenflüssen durch die Schaffung von schattigen Rückzugsgebieten, die Renaturierung von Auwäldern und die Wiederherstellung funktionierender Auenökosysteme begrenzt werden. In großen Nebenflüssen und im Rheinhauptstrom sind Maßnahmen schwieriger umzusetzen.
Einschränkungen bei Wassernutzung drohen
Steigt die Wassertemperatur über einen Schwellenwert, können die zuständigen Behörden dazu gezwungen sein, Einschränkungen für Wassernutzungen (z. B. industrielle oder landwirtschaftliche Entnahmen) auszusprechen, was zu Nutzungskonflikten und wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen kann. Der Temperaturanstieg wird dazu führen, dass weniger Kapazität für bestehende und neue Kühlwasserverbraucher zur Verfügung steht.
Es ist daher unabdingbar, die bereits in den Staaten laufenden Arbeiten zu verstärken, um in Abstimmung mit den von diesem gemeinsamen Gut abhängigen Nutzern eine sparsame und vernünftige Wassernutzung anzustreben.
Modellierung über Ländergrenzen hinweg
Mit der Studie wurde erstmals ein länderübergreifender Modellansatz erprobt, der nationale Modellergebnisse aus der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden entlang eines einheitlichen Klimasignals koppelt. „Die enge grenzüberschreitende Zusammenarbeit war entscheidend, um ein konsistentes Bild der zukünftigen Wassertemperaturen entlang des gesamten Rheins zu erhalten“, sagt Pascal Boderie, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Deltares.
Anpassung als Gemeinschaftsaufgabe
Im Rahmen der laufenden Fortschreibung ihrer Strategie zur Anpassung an den Klimawandel arbeiten die Staaten im Rheineinzugsgebiet unter dem Dach der IKSR an konkreten Maßnahmen, wobei die verschiedenen Nutzungen berücksichtigt werden. Ziel ist es, die ökologischen Funktionen des Rheins zu erhalten und zu stärken. Die Ergebnisse der Temperaturanalysen fließen direkt in diesen Prozess ein.
Weitere Informationen:
- Simulation of the effects of climate change scenarios on future Rhine water temperature development – update IPCC AR5 –
- Entwicklung der Rheinwassertemperaturen von 1978 bis 2023
Pressekontakt IKSR: Marc Daniel Heintz, Tel. 0049-261-92525-19, E-Mail: marcdaniel.heintz@iksr.de
Pressekontakt BfG: Dominik Rösch, Tel.: 0261/1306 5000, E-Mail: presse@bafg.de
Pressekontakt Deltares: Pascal Boderie
In der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) arbeiten seit mehr als 70 Jahren die Schweiz, Frankreich, Deutschland, die Niederlande, Luxemburg und die Europäische Union auf der Basis eines völkerrechtlichen Übereinkommens zusammen, um die vielfältigen Nutzungen und den Schutz des Gewässers in Einklang zu bringen. Für die Umsetzung europäischer Richtlinien wurde die grenzüberschreitende Kooperation auf die Staaten Österreich, Liechtenstein, Italien und die belgische Region Wallonien ausgeweitet. Aktuelle Präsidentin ist Miriam Haritz aus Deutschland. Ihr und den Gremien der IKSR steht ein international besetztes Sekretariat mit Sitz in Koblenz (Deutschland) zur Seite.
Die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr (BMV). Sie ist das wissenschaftliche Institut des Bundes für wasserbezogene Forschung, Begutachtung und Beratung insbesondere in den Bereichen Hydrologie, Gewässernutzung, Gewässerbeschaffenheit, Ökologie und Gewässerschutz. Die Arbeit der BfG erstreckt sich in erster Linie auf die schiffbaren Flüsse, Kanäle und Küstengewässer (Bundeswasserstraßen), die durch die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) verwaltet werden. Als Ressortforschungseinrichtung ist die BfG Teil der deutschen Wissenschaftslandschaft.
Als Wissensinstitut bietet Deltares seit über hundert Jahren zuverlässige Expertise im Bereich Wasser und Untergrund. Die einzigartige Kombination aus Wissen und Forschung, Experten, Versuchsanlagen, Schlüsseltechnologien, spezialisierter Software und Datenprodukten ermöglicht es uns, Politik und Industrie zu beraten und aktuelle Herausforderungen zu bewältigen.